Der folgende Ausschnitt stammt aus einer im Jahre 1995 von Herrn Punzel
gehaltenen Rede. Der ehemalige Lehrer der Schule berichtet,
wie das Lothar-Meyer-Gymnasium zu seinem Namen kam!
Erlauben Sie mir bitte, daß ich mit dem Bericht von einem zwar
persönlichen, aber für unser Thema beziehungsvollen Erlebnis
beginne. Vor nunmehr 25 Jahren kam ich auf der Suche nach einer Bleibe
für länger an das Gymnasium in Varel, das damals schlicht
"Gymnasium Varel" hieß.
Ich unterrichte in den Fächern Mathematik und Physik. Eines der
festen Themen des Physikunterrichts sind die sogenannten Elektronenrö
hren.
Es handelt sich dabei um hochgradig luftleer gepumpte Glaskolben.
Durch deren Wandung sind Zuleitungen geführt zu einem Heizdraht
und Blechplatten, den sogenannten Elektroden. Wird nun der Heizdraht
durch einen genügend starken Strom wie bei einer normalen Glühlampe
so stark erhitzt, daß er aufleuchtet, so treten einige Träger
des elektrischen Stromes, also Elektronen aus dem glühenden Draht aus.
Sie stehen dann in dem Raum zwischen Heizdraht und den übrigen
Elektroden
für vielerlei aufschlußreiche Experimente zur Verfügung.
Es ist einsichtig, daß es darauf ankommt, möglichst viele
"ausgeschwitzte" Elektronen für diese Experimente zur Verfügung zu
haben. Man muß also ein Material für den Heizdraht suchen, das
besonders leicht und damit besonders viel Elektronen abgibt, "emittiert".
Dieses Problem hat man so gelöst, daß man einen Heizdraht aus
besonders hoch erhitzbarem Material mit einem isolierenden
Porzellanröhrchen umgibt. Auf dieses Porzellanröhrchen wird eine Schicht aus
Bariumoxyd aufgetragen. Das in dieser Verbindung enthaltene Barium hat
nämlich gerade die Eigenschaft der leichten Elektronenabgabe. Und
das kann am Periodischen System der Elemente anschaulich verständlich
gemacht werden.
Das Element Barium steht nämlich mehr am Anfang einer neuen Periode.
Wie wir heute wissen, bedeutet das den Anfang des Aufbaus einer neuen
"Schale" von Elektronen. Man kann es so auffassen, daß diese Schale
eben wegen ihres noch sehr unvollständigen Aufbaus noch nicht so stabil
ist, die Elektronen noch nicht so "fest" sitzen und daher sich leicht
lösen können: leichte Elektronenabgabe der Elektronen. - So erläuterte
ich es meinen Schülern im Unterricht. Und belehrend - wie Lehrer nun
einmal sind - fügte ich noch hinzu: "Sie wissen hoffentlich,
daß dieses Periodische System der Elemente zuerst von dem
Deutschen Meyer und dem Russen Mendelejew angegeben wurde, die es
unabhängig voneinander fanden." Ein Schüler meldete sich:
"Lothar Meyer ist hier in Varel geboren!" "Das glaube ich nicht !"
Leicht gekränkt zurück: "Sie trauen es wohl Varel nicht zu ?"
"Nein, das ist es nicht, aber dann hätte ich doch hier schon irgendein
Denkmal, irgendein auf Lothar Meyer hinweisendes Zeichen finden müssen!"
Zuhause angekommen habe ich dann noch vor dem Mittagessen schnell in einem
alten Lexikon nachgesehen: Tatsächlich !
"Lothar Meyer, Chemiker, geboren am 19. August 1930 in Varel,... ,
erkannte die Eigenschaften der Elemente als periodische Funktionen
der Atomgewichte, ..." Kein Zweifel! Der Mann, dessen Namen ich schon
aus meiner Schulzeit her kannte, war in dem Städtchen geboren,
in dem ich jetzt lebte. Und nichts in der Stadt hatte mich darauf hingewiesen,
jedenfalls nichts, das man hätte nicht übersehen können.
In der nächsten Physikstunde habe ich mich dann wohl etwas reichlich
unakademisch, ja unvorsichtig geäußert: "Das ist ja unglaublich,
daß die Stadtväter es nicht einmal fertiggebracht haben, diese
Schule nach Lothar Meyer zu benennen! Das kenne ich aber aus meiner Heimat
anders! Dort trägt das Gymnasium selbstverständlich den Namen des
großen Sohnes der Stadt!"
Es war das die Zeit, da die Schülermitbestimmung in der Gesamtkonferenz
der Schule institutionalisiert wurde. Und eben dieser Schüler, der mich darauf aufmerksam gemacht hatte, daß Lothar Meyer in Varel geboren wurde, stellte wenig später als Schülervertreter in der Gesamtkonferenz den Antrag, dem Gymnasium den Namen "Lothar-Meyer-Gymnasium" zu geben. Der Antrag mußte an die Behörde weitergereicht werden. Die nahm sich Zeit. Es wurde gemunkelt, daß Namensgebungen mit Namen von Personen höchst unerwünscht waren - nach den schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit mit den Namen von politischen Größen, deren Tageswert ja oft starken Schwankungen unterliegt.
Aber nachdem man offenbar festgestellt hatte, daß Lothar Meyer ein
unbescholtener Mann war, auch schon lange tot war, dazu ein ganz und gar
politisch unbescholtener Mann war, vielleicht aber auch, daß er
ein Mann mit großem wissenschaftlichen Verdienst war, gab man
grünes Licht für diesen Antrag. So kam es, daß im
Jahre 1975, als der Antragsteller schon längst die Schule als Abiturient
verlassen hatte, das Gymnasium in Varel nach Lothar Meyer benannt wurde:
Lothar-Meyer-Gymnasium.
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von Sören Krieghoff
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